Scheissbanker…

So dürfte es in diesen Tagen an manchem Stammtisch tönen. Und tatsächlich ist ebenso Unglaubliches wie Undenkbares passiert. Nach der letzten Bankenkrise wurden unter dem Titel «too big to fail» komplexe und aufwändige Regulatorien geschaffen, damit Konkurse von systemrelevanten Banken verhindert werden können. Nun ist die Credit Suisse zwar nicht Konkurs gegangen, aber sie verschwindet von der Bildfläche.

Dazu kam es, weil über Jahrzehnte hinweg ein wesentlicher Grundsatz mit Füssen getreten worden ist, den eigentlich jedes Kleinunternehmen kennt: Das sorgfältige Abwägen von Risiken. – Hermann Josef Abs, von 1957 bis 1967 Vorstandssprecher und anschliessend bis 1976 Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Bank, hat damals schon gesagt: «Eine Bank lebt von den schlechten Geschäften, die sie unterlässt.»

Und der renommierte Schweizer Banquier Hans J. Bär hat vor rund 20 Jahren in seinem Buch («Seid umschlungen, Millionen!») geschrieben, Vorstandsbezüge im zweistelligen Millionenbereich seien eine Anstiftung zum Klassenkampf von oben. Dass bei einem Versagen des Managements die Leute auf der Strasse stehen, während sich die Unternehmensspitzen quietschvergnügt und mit randvollem Geldbeutel zur Ruhe setzen können, sei eine Verhöhnung aller gesellschaftlichen Prinzipien. – Man hätte auf ihn hören sollen…

Mit den Zitaten von Hermann Josef Abs und Hans J. Bär ist eigentlich in Kürze alles erklärt, was schiefgelaufen ist, bzw. hätte anders gemacht werden müssen. Tausende von vernünftigen Bankangestellten folgen diesen Grundsätzen übrigens Tag für Tag, indem sie sich sorgfältig und verantwortungsvoll um die Bedürfnisse ihrer Kundinnen und Kunden kümmern. Sie verdienen nicht Hunderttausende Franken pro Jahr; aber sie verdienen Respekt. Unter anderem auch deshalb, weil sie jetzt beim Feierabendbier am Stammtisch Rechenschaft ablegen müssen; über etwas, das sie in keiner Art und Weise mitverschuldet haben.

(März 2023)

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Politik muss den Menschen dienen. Erst recht die Gesundheitspolitik.

Die Schweiz verfügt über ein qualitativ hochstehendes und breit ausgebautes Gesundheitssystem. Gleichzeitig führen die stark steigenden Kosten zu ebenso stark steigenden Krankenkassenprämien, was zunehmend auch zu einer sozialpolitischen Herausforderung wird: Immer mehr Prämienzahlerinnen und Prämienzahler stossen an ihre finanziellen Grenzen. Im übertragenen Sinn fahren wir alle ein Luxusauto, auf dessen Vorzüge wir nicht verzichten wollen. Unser Budget würde aber eigentlich nur einen Mittelklasse- oder Kleinwagen zulassen. Dieser Spagat ist schmerzhaft geworden.

Nicht alle Kostenanstiege sind ungerechtfertigt: Neue innovative Therapien bieten wertvolle Perspektiven für die betroffenen Patientinnen und Patienten. Der wachsende Pflegedarf folgt der demographischen Entwicklung und gesellschaftlichen Bedürfnissen. Es gibt aber auch vermeidbare Kosten und Ineffizienzen, die ohne spürbare Qualitätsverluste zu Kostenreduktionen führen. Und genau hier liegt der Fokus der Krankenversicherer, die sich als Fürsprecher ihrer Kundinnen und Kunden für deren Anliegen einsetzen. Die Krankenversicherer kontrollieren und bezahlen die Rechnungen im Auftrag der Versicherten und haben deshalb kein Interesse an höheren Prämien. Im Gegenteil: Allein mit den Rechnungskontrollen werden Kosten von über 3.5 Milliarden Franken pro Jahr vermieden.

Auch der Bund überprüft systematisch, ob bestimmte Leistungen die Kriterien der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit erfüllen. Ist dies nicht der Fall, sollen diese von der Grundversicherung ausgeschlossen werden. Obwohl bereits verschiedene solche Verfahren abgeschlossen sind, lassen die gewünschten Einsparungen auf sich warten. Die betroffenen Leistungen werden nicht mit der nötigen Konsequenz aus dem Katalog gestrichen.

Es ist auch eine Tatsache, dass beispielsweise die Ärztedichte im Kanton Genf fünf Mal höher ist als im Kanton Uri. Und niemand würde behaupten, die Urnerinnen und Urner seien weniger gesund als der Rest der Schweiz. Ebenso ist die Anzahl Spitäler überdurchschnittlich hoch, die Koordination der Angebote innerhalb der Spitäler aber zu tief. Das ist nicht nur unnötig teuer, sondern befeuert auch den Fachkräftemangel. Zudem zeigen Studien, dass die Qualität leidet, wenn gewisse Eingriffe nur gelegentlich durchgeführt werden.

Es ist ebenso eine Tatsache, dass Medikamente in der Schweiz deutlich teurer sind als im Ausland. Und zwar so viel teurer, dass sich dies nicht mehr mit Kaufkraftunterschieden oder mit der «Hochpreisinsel Schweiz» erklären lässt. Zudem ist der Anteil Generika im Vergleich zum Ausland massiv tiefer.

Und es ist weiter eine Tatsache, dass die Preise vergleichbarer Routinebehandlungen ohne offensichtlichen Grund sehr stark variieren. Hier sitzt santéuisse als Tarifpartner mit am Verhandlungstisch und engagiert sich für ein Tarifsystem mit möglichst wenigen Fehlanreizen. So wie übrigens auch Parlament und Bundesrat betrachten wir ein System als optimal, das auf Pauschaltarifen basiert und mit Einzelleistungstarifen ergänzt wird.

Neben verschiedenen ungenutzten Chancen der Digitalisierung lässt insbesondere auch das elektronische Patientendossier weiterhin auf sich warten. Hier wird ausgerechnet die wichtigste Frage ignoriert: Nämlich diejenige nach den Bedürfnissen der Kundinnen und Kunden. Es kann doch nicht zu viel verlangt sein, dass bei einem Ärztewechsel oder im Notfall meine Daten rasch verfügbar sind. Es sind meine Daten, und ich will entscheiden dürfen, wem sie zur Verfügung stehen und wem nicht. Aber all dies scheint in der bisherigen Diskussion kaum eine Rolle gespielt zu haben.

Die Massnahmen und Stellschrauben sind also gemeinhin bekannt und wurden schon von verschiedensten Experten identifiziert. Etwas vielfältiger sind die Zuständigkeiten: Parlament, Bund, Kantone und Tarifpartner sind hier alle gefragt, stehen aber auf verschiedenen Ebenen in der Verantwortung. Unterschiedliche Interessenlagen mögen zur Politik gehören; aber sie dürfen nicht zu lähmenden Blockaden führen, während gleichzeitig die Prämienzahlerinnen und -zahler von den finanziellen Lasten erdrückt werden. Ihre Interessen sind übergeordnet und müssen wieder klar in den Vordergrund rücken. Wo, wenn nicht ausgerechnet in der Gesundheitspolitik, muss Politik den Menschen dienen?

(Oktober 2022)

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Die Solidarität der anderen…

Wir alle brauchen Werte als Kompass für unser Zusammenleben. Als Dach, unter dem wir uns bewegen. Wir alle betrachten Werte als wichtig – als wertvoll. Werte müssen einen Wert haben.

Aber halten sie auch ihren Wert, wenn sie konkret eingefordert werden? Wie halten wir es mit Werten wie Solidarität oder Demut, wenn wir plötzlich selber direkt davon betroffen sind? Wenn wir plötzlich einen Beitrag leisten, unser Verhalten ändern müssen, um eben diesen Werten gerecht zu werden, die wir stets für wichtig gehalten haben?

Seit rund 20 Monaten dominiert «Corona» unseren Alltag. Ein Virus, das uns auf dem falschen Fuss erwischt und vor unheimlich grosse Herausforderungen gestellt hat. Und nach wie vor müssen wir realistischerweise feststellen, dass die Unsicherheit immer noch mindestens so gross ist wie die Zuversicht.

Wir befinden uns in einer Krise. Und eine Krise ist eben deshalb eine Krise, weil sie schmerzhafte Begleiterscheinungen hat und spürbare Opfer von uns allen verlangt. Einige von uns wurden gesundheitlich schwer getroffen. Einige von uns haben Angehörige verloren. Andere kämpfen um ihre wirtschaftliche Existenz. Wir alle müssen uns in unserem Alltag einschränken.

Und dennoch geht es uns gesamthaft gesehen und insbesondere im Vergleich zu anderen Ländern immer noch relativ gut. Einmal mehr gehören wir – trotz allem – zu den Privilegierten auf dieser Welt.

Es geht vielen von uns immer noch gut, weil einschränkende Massnahmen ergriffen worden sind, weil finanzielle Unterstützung gewährt worden ist und vor allem, weil viele Menschen in den letzten Monaten Überdurchschnittliches geleistet haben – allen voran unser medizinisches Personal. - Das alles sollte nicht Wehmut, sondern Demut auslösen. Dankbarkeit, statt gesellschaftliche Unzufriedenheit.

Verständlicherweise sehnen wir uns nach der so genannten Normalität. Wir alle sind der verschiedenen Einschränkungen überdrüssig. Einige protestieren lauthals dagegen, andere versuchen einen Beitrag zu leisten. Einige appellieren an Freiheit und Eigenverantwortung, andere an Solidarität. - Werte, die wir als fundamental wichtig betrachten, uns aber dann an unsere Grenzen bringen, wenn sie konkret werden, wenn sie uns selber betreffen. Werte, die sich gegenseitig widersprechen, einen Zielkonflikt auslösen.

Unsere Verfassung äussert sich eigentlich klar zu dieser Frage:

«Gewiss, dass frei nur ist, wer seine Freiheit gebraucht, und dass die Stärke des Volkes sich misst am Wohl der Schwachen.»

Und weiter steht dort:

«Jede Person nimmt Verantwortung für sich selber wahr und trägt nach ihren Kräften zur Bewältigung der Aufgaben in Staat und Gesellschaft bei.»

Die Werte unserer Verfassung lassen es also nicht zu, wegen persönlicher Interessen auf Solidarität zu verzichten. Wer also beispielsweise den Empfehlungen zur Bewältigung der Pandemie folgt, leistet solidarisch seinen gesellschaftlichen Beitrag im Sinne unserer Verfassung.

Weltweit sterben jeden Tag 14'000 Kinder, bevor sie fünf Jahre alt geworden sind. Die Hälfte davon an Unterernährung. Das heisst, dass alle 12 Sekunden ein Kind verhungert. – Das war vor «Corona» so, ist während «Corona» sicher nicht besser geworden und dürfte leider auch der Fall sein, wenn dann «Corona» irgendwann vorbei sein sollte.

Wir aber diskutieren währenddessen leidenschaftlich darüber, ob und unter welchen Rahmenbedingungen wir nun ins Fitnesscenter oder auf die Skipiste dürfen. Unsere Gesellschaft spaltet sich unter anderem an der Frage über eine Impfung, von der in anderen Regionen, in anderen Ländern Tausende von Menschen träumen.

Oder wie wollen wir beispielsweise einem Menschen aus Indien in die Augen schauen und erklären, dass wir uns in der Schweiz in einer historischen Krise befinden, weil wir im öffentlichen Verkehr eine Maske tragen müssen oder während ein paar Monaten auf unser Feierabendbier im Jägerstübli, im Hirschen oder im Bären verzichten mussten? Oder dort nun ein Zertifikat zeigen müssen?

Sehen wir noch, was an anderen Orten passiert, wie es anderen Menschen in Zeiten wie diesen geht? Ist es in diesem Kontext nicht fast lächerlich, worüber wir hier gerade streiten? Ist es nicht fast etwas beschämend, wenn wir hier bei uns von einer historischen Krise sprechen?

Bei allem Respekt gegenüber denjenigen, die auch bei uns hart vom Schicksal getroffen worden sind, sollten wir gesamthaft als Gesellschaft dankbar, demütig und solidarisch sein. Weil die grosse Mehrheit der Menschheit seit Generationen davon träumt, überhaupt ein Leben führen zu dürfen, über das wir uns hier zurzeit gerade beklagen.

Es mag uns schlecht gehen, wenn wir uns daran erinnern wie gut es uns vor dieser Krise ging. Aber es geht uns gut, wenn wir schauen, wie es anderen Menschen in anderen Regionen geht.

«Gewiss, dass frei nur ist, wer seine Freiheit gebraucht, und dass die Stärke des Volkes sich misst am Wohl der Schwachen.»

Halten unsere Werte ihren Wert, wenn wir geprüft werden? Sprechen wir nur von Solidarität oder meinen wir es auch ernst, wenn es wirklich darauf ankommt?

Wenn wir uns alle eine baldige Normalität zurückwünschen und wenn beispielsweise eine hohe Impfquote genau diese Normalität ermöglichen würde, sind dann diejenigen solidarisch, die sich impfen lassen, oder diejenigen, die sich nicht impfen lassen, obschon sie es könnten..?

Verschiedene Menschen schreiben mir, es seien alle vor dem Gesetz gleich und niemand dürfe diskriminiert werden. – Nun, wenn einige einen solidarischen Beitrag zum gemeinsamen übergeordneten Ziel einer Normalisierung leisten, und andere diesen solidarischen Beitrag verweigern - wer diskriminiert dann wen?

Kann sich jemand wirklich über Diskriminierung beklagen, wenn er bei den gemeinsamen Anstrengungen gar nicht mitmacht. Wenn er sich selber ausschliesst? Sich selber diskriminiert?

Ja, es ist bequemer, Solidarität von den anderen zu fordern, als sich selber solidarisch zu zeigen. - Aber die Solidarität der anderen hat noch keinem die eigene erspart.

(19. September 2021)

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Ehe für alle: Ein liberales Land muss liberal sein.

Es ist lange her, seit 1848 in der Schweiz der moderne Bundesstaat gegründet worden ist. Ein liberaler Bundesstaat. - Und es ist heute unser Erbe, unser Auftrag, diesen modernen und liberalen Bundesstaat genau im damaligen Sinn zu definieren und weiterzuentwickeln. Nämlich im Sinn unserer Bundesverfassung, die grundsätzlich jeder und jedem so viele Freiheiten wie möglich gewähren möchte, solange dabei die Freiheiten der anderen nicht beschnitten werden.

Wenn man unsere Bundesverfassung in einem einzigen Wort zusammenfassen müsste, dann würde «liberal» mit Sicherheit zu den favorisierten und meistgenannten Attributen gehören.

Und genau diese liberalen Werte gehören seit Jahrzehnten auch zu unseren wirtschaftlichen Erfolgsfaktoren. - Es gibt nämlich gute Gründe, weshalb auch die Wirtschaft diese Vorlage unterstützt: Wir stehen im internationalen Scheinwerferlicht. Ein «JA» ist absolut zentral, damit die Schweiz auch weiterhin als attraktiver Wirtschaftsstandort wahrgenommen wird. Ein liberales Land muss sich daran messen lassen, wie liberal es wirklich ist. Eine liberale Wirtschaft ohne eine liberale Gesellschaft wird auf lange Sicht nicht funktionieren – und umgekehrt.

Wenn wir also weiterhin unseren in der Verfassung manifestierten liberalen Grundwerten Rechnung tragen wollen, wenn wir weiterhin ein liberaler, international erfolgreicher Wirtschaftsstandort sein wollen, wenn wir weiterhin einen modernen Bundesstaat mit einer liberalen Gesellschaft sein wollen, dann ist am Abstimmungswochenende vom 26. September der Zeitpunkt für die Beweisführung gekommen, indem wir klar «JA» sagen zur «Ehe für alle».

Alt Bundesrat Kaspar Villiger hat einmal geschrieben: «Eine Willensnation muss wollen». Sinngemäss möchte ich Ihnen sagen: «Ein liberales Land muss liberal sein».

(19. August 2021)

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Die Konzernverantwortungsinitiative ist durch und durch bürgerlich.

Der Schweizer Wohlstand beruht auf Verantwortung und Innovationskraft. Daher sehe ich mein Engagement für die Konzernverantwortungsinitiative in der Tradition bürgerlicher Politik verankert. Es geht um eine Selbstverständlichkeit in einer liberalen und globalen Wirtschaftsordnung: Konzerne sollen für allfällige Schäden geradestehen.

Als Glarner, ehemaliger Banker und wirtschaftsnaher Politiker kann ich die Beweggründe der Konzern-Lobby nicht nachvollziehen. Im Kanton Glarus sind wir heute noch stolz auf unser Fabrikgesetz von 1864. Damals hat die Landgemeinde unter anderem die tägliche Arbeitszeit auf 12 Stunden begrenzt und die Nachtarbeit verboten. Dieses progressive Glarner Fabrikgesetz war international wegweisend. Dem wirtschaftlichen Erfolg des Industriekantons hat es trotz gegenteiliger Mahnungen nicht geschadet. Für das Fabrikgesetz stark gemacht hatte sich – wie heute bei der Konzernverantwortungsinitiative – eine breite zivilgesellschaftliche Allianz. So waren neben den Arbeitern auch Pfarrer, Ärzte, Lehrer und sogar einzelne Fabrikanten unter den Befürwortern.

Wenn wir die Menschenrechte und damit die Glaubwürdigkeit unserer Wirtschaft stärken, hat das nachweislich einen positiven Effekt auf die Wettbewerbsfähigkeit. Das habe ich vor rund zehn Jahren bei der Debatte um das Bankgeheimnis hautnah miterlebt. Dank einer letztlich konsequenten Weissgeldstrategie steht die Finanzbranche heute besser da.

Wer also die Schweizer Wirtschaft stärken will, der stimmt am 29. November Ja. Die Angstkampagne von Economiesuisse ist unverständlich. Die mangelnde Bereitschaft zu Mitgestaltung ist mir ein Rätsel, und ich verstehe nicht, dass man sich wegen einzelnen schwarzen Schafen derart verbiegt.

Die Initiative bringt eine schlanke Lösung, um Menschenrechte und Umweltschutz zu stärken. Es ist eine der bestvorbereiteten und konkretesten Initiativen, die je eingereicht wurden. Das ist keine Protestinitiative von JUSO oder SVP, die nur aufrütteln und polarisieren will, sondern eine wohl durchdachte und umsetzbare Lösung.

Konzerne sollen für allfällige Schäden haften. Geschädigte sollen dort klagen dürfen, wo diese Konzerne zuhause sind – in der Schweiz. Das ist für mich in einem globalen Wirtschaftssystem naheliegend und logisch. Die Beweislast liegt übrigens beim Kläger. Der Beklagte kann sich entlasten, indem er die Augen nicht verschliesst vor den Risiken, die er kennt, kennen muss - und als Unternehmer auch kennen will.

All die verantwortungsvoll wirtschaftenden KMU haben nichts zu befürchten. Das ist allein schon mit gesundem Menschenverstand erkennbar. Dennoch sind sie in der Initiative auch noch explizit ausgenommen. Die Kampagne der Konzern-Lobby und von Bundesrätin Karin Keller-Sutter agiert also unredlich, wenn sie die kleinen Firmen vorschieben. Die Initiative trifft nur jene international tätigen Konzerne, die bisher schwache Rechtssysteme in anderen Ländern gleichgültig ausnützen und nicht geradestehen, wenn sie Schäden verursachen.

(8. November 2020)

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Wenn Du etwas ändern willst, musst Du etwas ändern.

In wenigen Wochen wählen die Schweizerinnen und Schweizer ihr Parlament für die kommenden vier Jahre. Eine Klimawahl soll es werden; aber auch eine Wandelwahl. Es brauche eine progressive Wende.

Sehr gerne! Aber der Beweis wird an der Urne zu erbringen sein. Alle Kampagnen, Vorschauen, Umfragen und Prognosen werden sich letztlich an der Mobilisierung sowie den konkreten Resultaten messen lassen müssen. Alle Proteste der letzten Monate werden nur dann eine nachhaltige Wirkung entfalten, wenn diese Proteste auch an die Urne getragen werden. - Der Wille ist nichts wert, wenn er nicht in die Tat umgesetzt wird. Oder anders gesagt: Machen ist wie wollen, nur viel krasser...

Die letzten Wochen haben auch deutlich gezeigt, dass es an den kommenden Wahlen nicht einfach nur um einen Richtungsentscheid zur Klimapolitik, Europapolitik oder Sozialpolitik geht. Es geht vor allem auch um einen Richtungsentscheid in Bezug auf die Werte, welche dieses Land charakterisieren und prägen sollen. Werte wie Solidarität und Offenheit, die in unserer Verfassung stehen.

Solidarität gegenüber Menschen, die weniger Glück haben als wir. Denn unser Wohlstand gibt uns nicht das Recht, auf andere herabzuschauen. Unser Wohlstand darf nicht dazu führen, dass wir Bescheidenheit und Demut über Bord werfen. Souverän ist nämlich, wer anderen auf Augenhöhe begegnet. Souverän ist, wer Solidarität wagt. Und souverän ist auch, wer Offenheit wagt. Ein unabhängiges, souveränes Land definiert sich über Offenheit und geht Beziehungen ein. Offenheit ist nicht das Gegenteil von Unabhängigkeit. Offenheit ist das Gegenteil von Isolation. Isolation wäre ein eklatanter Mangel an Souveränität.

Unsere Bundesverfassung beginnt mit der so genannten Präambel. Sie beschreibt gewissermassen die Rahmenbedingungen, unter welchen sich das Schweizer Volk und die Kantone ihre Verfassung gegeben haben. Und das liest sich wie ein wundervoller Wertekompass:

„...in der Verantwortung gegenüber der Schöpfung,

im Bestreben, den Bund zu erneuern, um Freiheit und Demokratie, Unabhängigkeit und Frieden in Solidarität und Offenheit gegenüber der Welt zu stärken,

im Willen, in gegenseitiger Rücksichtnahme und Achtung ihre Vielfalt in der Einheit zu leben,

im Bewusstsein der gemeinsamen Errungenschaften und der Verantwortung gegenüber den künftigen Generationen,

gewiss, dass frei nur ist, wer seine Freiheit gebraucht, und dass die Stärke des Volkes sich misst am Wohl der Schwachen...“

Wer diesen Werten glaubwürdig und ernsthaft Rechnung tragen will, der schützt unsere Umwelt, isoliert unser Land nicht, respektiert seine Menschen und seine Institutionen. - Sicherlich kann man den Respekt gegenüber den Menschen, gegenüber unserem Land, gegenüber unseren Institutionen auf unterschiedliche Arten zum Ausdruck bringen. Ob aber Ratten, Krähen oder Würmer sich dazu eignen und dem Wertekompass unserer Bundesverfassung standhalten, ist möglicherweise Geschmackssache. Möglicherweise aber auch nicht.

Wenn Du etwas ändern willst, musst Du etwas ändern. - Nach wie vor gilt, dass es nicht genügt, nur die Faust im Sack zu machen. Nein, auch hier gilt es, die Proteste an die Urne zu bringen. Und auch hier hat die BDP etwas zu bieten: Nämlich Werte wie Anstand, Respekt. Und den Mut, die Dinge beim Namen zu nennen. Auf Augenhöhe. Ohne, auf jemanden herabzuschauen. Ohne, zu jemandem aufzuschauen. - Gerade auch die Entstehungsgeschichte der BDP basiert ja auf der Tatsache, dass mutige Menschen „stop“ gesagt haben. Dass mutige Menschen nicht einfach nur die Faust im Sack gemacht haben. Wir glauben an die Werte unserer Bundesverfassung und wir wollen ihnen Sorge tragen. Damit eben genau diese Werte nicht noch mehr an Wert verlieren.

(31. August 2019)

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Wer kriecht, kann nicht stolpern.

„Politiker denken an die nächste Wahl, Staatsmänner an die nächste Generation.“ Es dürfte um die 150 Jahre her sein, seit der amerikanische Prediger James F. Clarke mit diesem Zitat wachrütteln wollte. Dass er damit auch den heutigen Zeitgeist treffen würde, hat er damals mit Sicherheit nicht gehofft. – Natürlich darf es wenige Monate vor den nationalen Gesamterneuerungswahlen gerade den Parlamentarierinnen und Parlamentariern nicht übel genommen werden, wenn diese Wahlen zunehmend den Alltag prägen... Das gilt aber nicht für unseren Bundesrat; der zurzeit offensichtlich wenig Lust darauf verspürt, das Land zu regieren. - Ob es Ängstlichkeit, Ratlosigkeit oder Orientierungslosigkeit ist, weiss man nicht so genau. Aber es ist nicht zu übersehen, dass vor allem Zeit damit verloren wird, indem man Zeit zu gewinnen versucht... Und man hofft, mit Strukturen von gestern irgendwie die Probleme von morgen zu lösen; dabei ist man heute schon überfordert.

Und dies dauert nun schon ein paar Monate. Begonnen hat es mit dem ungewohnten Prozess einer so genannten Konsultation. Dabei haben sich Parteien, Verbände, Medienschaffende und allerlei Experten fleissig zum institutionellen Rahmenabkommen geäussert, ohne dabei die Haltung unserer Regierung zu kennen, bzw. sogar ohne dabei zu wissen, ob unsere Regierung überhaupt schon eine Haltung hat... Wichtige Verständnisfragen konnten nicht beantwortet werden, dringend notwendige Präzisierungen wurden nicht vorgenommen, das Abkommen wurde nicht verteidigt. Der zuständige Staatssekretär hätte dies offensichtlich gekonnt, hat aber nicht gedurft. Die Regierung hätte gedurft, hat aber nicht gewollt. Und dennoch glaubt man jetzt genau zu wissen, dass ein solches Abkommen nicht mehrheitsfähig sei. Sogar öffentliche Umfragen zur Meinung der Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern wurde herbeigezogen, ohne dass ein sorgfältigen Dialog mit ihnen stattgefunden hätte.

Die bisherige Diskussion war chaotisch, die Konsultation nutzlos. Sie hat kaum jemanden weiter gebracht – vor allem nicht den Bundesrat. Dabei würde dieses Land direktdemokratische Prozesse kennen, mit deren Umgang sich alle gewohnt wären: Eine Botschaft des Bundesrats, eine Vernehmlassung, eine parlamentarische Debatte und am Schluss eine Volksabstimmung. Über diesen Weg setzen wir uns doch immer wieder mit wichtigen Fragestellungen auseinander. Da gibt es Platz für Diskussionen, Erklärungen, Präzisierungen. Da müssen am Schluss alle eine Position beziehen, „ja“ oder “nein“ sagen. „Ja, aber“ gibt es dann nämlich nicht.

Am Anfang eines solchen Prozesses braucht es aber den Bundesrat. Einen Bundesrat, der diesen Prozess auslöst, ein Projekt vorschlägt, hinter diesem steht, es erklärt und verteidigt. Klar ist dies ist auch mit unangenehmen Botschaften verbunden. Klar bedeutet dies auch Gegenwind. Man muss erklären, dass ein Rahmenabkommen nicht ein innenpolitisches Wunschkonzert ist, sondern ein Verhandlungsergebnis, für das beide Seiten aufeinander zu gehen mussten. Und man muss dazu stehen, dass - wenn die Vorteile überwiegen - es irgendwo auch Nachteile hat... - Genau dies wäre wohl gemeinhin von einer Regierung zu erwarten. Dass sie nicht verunsichert, sondern Vertrauen schafft. Dass sie regiert.

(27. Mai 2019)

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Die ‚göttliche Ordnung‘ ist immer noch ungerecht.

Die Diskussion rund um die Frage, ob ein Frauenstreik das richtige Mittel ist, darf nicht vom eigentlichen Problem ablenken: Gleichberechtigung ist in der Schweiz auch im Jahr 2019 noch nicht die Realität. Nach wie vor werden Ungerechtigkeiten mit erschreckender Gleichgültigkeit akzeptiert. Verstaubte Männer - und auch konservative Frauen - ignorieren die Bedürfnisse einer modernen Gesellschaft. Die laufende Legislatur wird im Herbst (nicht nur) diesbezüglich mit einer beschämenden Bilanz zu Ende gehen. Weit und breit kein bürgerlicher Fortschritt. Die Frauen sind die eigentlichen Verliererinnen dieser Legislatur!

Die BDP betrachtet die Vereinbarkeit von Beruf und Familie als bürgerliches Anliegen, als Wirtschaftspolitik. Denn ein liberaler Arbeitsmarkt profitiert, wenn wertvolle Arbeitskräfte erhalten bleiben. Das ist, bzw. wäre ein wichtiger Beitrag gegen den Fachkräftemangel. Mit Blick auf die heutigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedürfnisse braucht es langfristig finanzierbare Betreuungsplätze mit flexibleren Zeiten. Und kein Weg führt an der flächendeckenden Etablierung von Tagesstrukturen an der Schulen vorbei. - Weitere zielführende Massnahmen wären eine Unterstützung des beruflichen Wiedereinstiegs nach einer Familienphase oder beispielsweise der Einbezug von Frauenorganisationen in die Sozialpartnerschaften. Die BDP hat mit verschiedenen Vorstössen aufgezeigt, dass auch aus bürgerlicher, wirtschaftspolitischer Sicht intelligente Weichenstellungen möglich wären. Denn eines muss klar sein: ‚Nichts tun‘ ist keine Option.

Es gibt also genügend (eigentlich zu viele) gute Gründe, um lauten Protest zum Ausdruck zu bringen. Der Frauenstreik ist dazu sicherlich eine von verschiedenen Möglichkeiten. Eine weitere, noch bessere Möglichkeit ist der Protest an der Urne. Und dazu bietet sich mit den nationalen Wahlen vom kommenden Herbst eine ideale Gelegenheit. Die Wahlen 2019 sind deshalb ein Richtungsentscheid für die Frauen.

Der schlechteste aller Proteste ist das Fernbleiben von der Urne. Wer unzufrieden ist mit der aktuellen Politik, wer Fortschritt und Vernunft vermisst, der muss dies im kommenden Herbst zum Ausdruck bringen. Sich von der Politik abwenden bewirkt nichts und hilft den Falschen... Deshalb müssen gerade die unzufriedenen bürgerlichen Frauen und Männer die fortschrittlichen und lösungsorientierten Kräfte stärken. - Das ist langweilig, aber gut.

(15. Mai 2019)

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Niemand wird „entwaffnet“.

Bundesrat und Parlament haben bei der Umsetzung der EU-Waffenrichtlinien der Tatsache Rechnung tragen, dass das Schiesswesen in der Schweiz eine hohe Bedeutung geniesst. Dank unbürokratischen Ausnahmeregelungen kann beispielsweise die Ordonnanzwaffe nach Dienstende weiterhin behalten werden. Und wer als Sportschütze künftig eine halbautomatische Waffe erwerben möchte, muss entweder in einem Schützenverein sein oder den Nachweis erbringen, dass er regelmässig schiesst. Das neue Waffengesetz hat im Alltag keine oder nur sehr kleine Auswirkungen, die niemand ernsthaft als Schikane, Bevormundung oder Entwaffnung bezeichnen kann. Der Fortbestand des Schweizer Schiesswesens sichergestellt.

Zudem zeigt gerade das aktuelle Referendum, dass die direkte Demokratie gewährleistet wird. Es gibt kein „EU-Diktat“, und es wird auch in Zukunft kein solches geben. Denn das letzte Wort hat stets das Schweizer Stimmvolk. Da die aktuelle Revision bei nüchterner Betrachtung aber schlichtweg kein Problem darstellt, wird mit diesem Referendum das Pulver sprichwörtlich zu früh verschossen. Denn wer sich Sorgen über allfällige spätere Verschärfungen macht, sollte sich auch ein Referendum für später aufheben. Die aktuelle Revision rechtfertigt diesen Widerstand in keiner Art und Weise. Das Referendum ist nichts anderes als eine Reaktion auf geschürte Ängste, für die es aber keine real existierenden Gründe gibt. Niemand wird „entwaffnet“.

(25. März 2019)

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Dem Königsweg Sorge tragen.

Die Schweiz liegt im Herzen Europas liegt. Die ausgeprägte wirtschaftliche und gesellschaftliche Vernetzung mit unseren europäischen Nachbarn charakterisiert und begleitet unser Land seit Jahrhunderten. Unsere Souveränität hat sich stets auch über Offenheit und Solidarität definiert. Nach dem EWR-Nein im Jahr 1992 hat die Schweiz den bilateralen Weg eingeschlagen und ihn zum „Königsweg“ erklärt. Entsprechende Vertragspakete wurden verhandelt, verabschiedet und vom Schweizer Stimmvolk abgesegnet. Einige dieser Abkommen haben sich bewährt, einige werden kritisiert. Andere tragen vielleicht den zwischenzeitlichen Entwicklungen nicht mehr ausreichend Rechnung und müssten überarbeitet werden. Und es wurden neue Bereiche identifiziert, die ebenfalls einer vertraglichen Regelung bedürfen. Das alles zeigt, dass der bilaterale Weg nicht einfach nur ein gesammeltes Werk von Verträgen ist, sondern vielmehr als Konzept verstanden werden muss. Als zukunftsfähiges Konzept unserer Beziehung zur Europäischen Union. Denn die Alternativen heissen entweder Isolation oder EU-Beitritt. Wer das verhindern will, muss sich vehement gegen die schleichende Erosion des bilaterales Wegs wehren.

Das institutionelle Rahmenabkommen kann einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung des bilateralen Wegs leisten und gleichzeitig eine Grundlage für weitere wichtige Abkommen bilden. Bei der Aushandlung dieses Abkommens wurden einige Ziele erreicht, bei anderen mussten Kompromisse eingegangen werden. Zweifellos wird der Bundesrat noch mit verschiedenen zusätzlichen Erläuterungen und Präzisierungen mehr Vertrauen schaffen müssen. Und er sollte den Dialog mit dem Stimmvolk ermöglichen. Wenn nämlich der Bundesrat das Abkommen unterzeichnet, wird der direktdemokratische Prozess ausgelöst, eine Volksabstimmung und vorgängig eine breite Debatte ermöglicht. Dank der Referendumsfähigkeit hat das Schweizer Stimmvolk das letzte Wort - und damit das Sagen. Das ist gut so. Denn in der gesamten Weiterentwicklung des bilateralen Wegs ist die Gewährleistung der direkten Demokratie von zentraler Bedeutung und nicht verhandelbar.

 (20. März 2019)

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Keine Raumplanung mit der Brechstange.

Der Schutz von Kulturland ist ein hohes Gebot, das wir künftigen Generationen schuldig sind. Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger haben dies durchaus erkannt und mit dem revidierten Raumplanungsgesetz im Jahr 2013 die Weichen dementsprechend gestellt. Dass dieses Gesetz alles andere als ein zahnloses Gebiss ist, zeigen die hart umkämpften Richtplananpassungen auf kantonaler und kommunaler Ebene.

Und nun will die so genannte Zersiedelungsinitiative quasi die Regeln mitten im Spiel wieder ändern. Sie will die Gesamtfläche der Bauzonen in der Schweiz einfrieren. Neue Bauzonen sollen nur noch geschaffen werden dürfen, wenn andernorts eine mindestens gleich grosse Fläche als Bauzone aufgehoben wird. Und zudem sollen ausgerechnet der Landwirtschaft hinderliche Knüppel zwischen die Beine geworfen werden.

Das ist falsch, auch wenn die Zielsetzungen ja gut gemeint sein mögen. Aber mit der Brechstange lassen sich diese Ziele nicht erreichen. Das Einfrieren der Bauzonen würde einen Stillstand bedeuten - und zwar auf unbefristete Zeit. Das verhindert eine vernünftige Weiterentwicklung und wird zu einer weiteren Verteuerung führen.

Gerade auch aus Sicht der ländlichen Regionen sind zudem zweierlei Konsequenzen möglich, die beide höchst unerwünscht sind: Entweder macht das Einfrieren jeglicher Weiterentwicklung den ländlichen Raum zu einem Freilichtmuseum à la Ballenberg. Oder die Bautätigkeit verlagert sich dorthin, wo es noch Bauland hat, was die Zersiedelung sogar fördern würde.

Der Gestaltungsspielraum der Kantone und Gemeinden würde in ein sehr enges Korsett gezwängt. Und bestraft würden diejenigen Kantone und Gemeinden, die bisher verantwortungsvoll mit ihrem Boden umgegangen sind. Die Initiative ist also ungerecht, unvernünftig, unnötig.

(15. Januar 2019)

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NEIN zur Selbstbestimmungsinitiative

Die Selbstbestimmungsinitiative wird mit Sicherheit vor allem etwas NICHT bringen: Mehr Selbstbestimmung.

Im Gegenteil: Der Initiativtext will Automatismen einführen, welche die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger bevormunden. Demokratisch legitimierte völkerrechtliche Verträge würden nach Annahme der Selbstbestimmungsinitiative gekündigt, ohne dass darüber abgestimmt werden könnte. Die Selbstbestimmungsinitiative ist also ein Angriff auf die direkte Demokratie und nicht deren Rettung.

Die direkte Demokratie in der Schweiz funktioniert seit ihrer Gründung ausgezeichnet, ohne dass sie dafür eine Selbstbestimmungsinitiative gebraucht hätte. Und die direkte Demokratie in der Schweiz war nie in Gefahr, bis die SVP dies plötzlich behauptete und diese Initiative lancierte.

Die Behauptungen und Irreführungen kumulieren sich täglich. In diesem Wildwuchs von teilweise haarsträubenden Argumenten gibt es eigentlich nur einen sinnvollen Ratschlag: Kühlen Kopf bewahren und den Initiativtext genau und vollständig durchlesen. - Und dann unbedingt an die Urne gehen und dieser Initiative eine klare Absage erteilen.

(19. November 2018)

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Fehlbilanz!

In den letzten Wochen haben die Gewerkschaften und der Bundesrat gemeinsam etwas geschafft, was die SVP seit Jahrzehnten erfolglos versucht: Die Schweiz hat sich von Europa verabschiedet und sich als Verhandlungspartner lächerlich gemacht. In Brüssel dürfte man sich die Augen reiben und fragen, was aus dieser früher so geschickten und schlauen Schweiz geworden ist. Eine Schweiz, die es stets geschafft hat, ihren eigenen Weg zu gehen, ihre Interessen zu wahren und dennoch ein wertvoller und erst zu nehmender Partner zu sein.

Was ist passiert? - Bundesrat und Gewerkschaften betonen beinahe täglich, dass sie eigentlich das Gleiche wollen und namentlich der Lohnschutz in der Schweiz weiterhin sichergestellt sein muss. Aber irgendwie haben sie das Kunststück geschafft, jegliches Vertrauen in Luft aufzulösen und komplett aneinander vorbeizureden. Und viel schlimmer: Sie reden nicht nur aneinander vorbei; sie tun das auch noch öffentlich.

Den Präsidenten der Regierungsparteien kommt in der Folge nichts anderes in den Sinn, als umgehend festzustellen, dass damit ein Rahmenabkommen mit der EU bis auf weiteres gescheitert sei und Verhandlungen vorerst wohl keinen Sinn mehr machen. - Und auch sie tun das öffentlich.

Wir sind nun also ein Land, in dem sich die Verantwortlichen gegenseitig kaum mehr über den Weg trauen. Wir sind nun also ein Land, in dem die Verantwortlichen nicht mehr diskret an einen Tisch sitzen und gemeinsam an Lösungen und Positionen arbeiten. Nein, wir sind jetzt Land, in dem die Verantwortlichen nur noch via Medien miteinander reden und dort ihr gegenseitiges Misstrauen öffentlich zum Ausdruck bringen. Ein Land, das Verhandlungen mit der Europäischen Union aufgibt, bevor sie überhaupt begonnen haben. Die Verantwortlichen in diesem Land - der Bundesrat und die Regierungsparteien - haben quasi forfait erklärt und damit unserer Wirtschaft, unserer Gesellschaft und vor allem der nächsten Generationen ein Chaos produziert.

Und das ist nur gerade ein Beispiel der katastrophalen Zwischenbilanz dieser Legislatur - einer Fehlbilanz:

  • Einer Fehlbilanz, die von konservativen Egoisten dominiert wird.
     
  • Einer Fehlbilanz, in der immer wieder versucht wird, die Schweiz von der Solidarität zu verabschieden. Beispielsweise durch Sparmassnahmen in der Entwicklungshilfe.
     
  • Einer Fehlbilanz, die sich nicht um künftige Generationen kümmert und beispielsweise versucht, bei der Bildung zu sparen.
     
  • Einer Fehlbilanz, in welcher der Wunsch nach verantwortungsvollem Unternehmertum nicht in genügendem Ausmass gehört wird.
     
  • Einer Fehlbilanz, in der - als wäre das Rad der Zeit stehen geblieben - Waffen exportiert und Schwarzgeld importiert wird. Ansonsten ist nicht viel aus dem Ausland willkommen.
     
  • Einer Fehlbilanz, in der der Nationalratssaal immer wieder für Klamauk, Störmanöver und Parteikundgebungen missbraucht wird.

In dieser Fehlbilanz werden Respekt, Fortschritt, Sorgfalt und Vernunft vermisst. Die grossen Verlierer dieser Fehlbilanz sind die Frauen. - Und dies, obschon wir das Jahr 2018 schreiben.

Und dort, wo minimale Fortschritte erzielt werden konnten, war es stets eine Zitterpartie, die nur dank der BDP auf die richtige Seite gekippt ist.

Ja, wir sind sehr oft auf der schwächeren Seite. Aber wir sind auf der richtigen Seite. Auf der Seite, die sich für Fortschritt und Vernunft einsetzt. Diejenige Seite, die an die nächsten Generationen denkt - und nicht permanent und ausschliesslich an die nächsten Wahlen. Diejenige Seite, die Souveränität über Offenheit und Solidarität definiert - und nicht über Isolation. Diejenige Seite, die über Eigenverantwortung auch Verantwortung für andere anstrebt - und nicht Egoismus und Gleichgültigkeit.

Dieses Land braucht dringend eine Korrektur. Wenn an den Wahlen 2019 nicht vernünftige und fortschrittliche Kräfte wie die BDP gestärkt werden, dann wird sich dieses Land nicht nur vom europäischen Verhandlungstisch verabschieden, sondern schrittweise von seinen Grundwerten.

Dagegen muss sich dieses Land wehren. Deshalb braucht es die BDP mehr denn je. Deshalb sind wir gekommen, um zu bleiben.

(25. August 2018)

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Die Schweiz ist kein Versuchskaninchen.

Wer sich mit der so genannten Vollgeldinitiative befasst, stösst auf Begriffe wie Geldschöpfung, Zentralbankengeld, Geschäftsbanken-Buchgeld, Sichtguthaben, Geldmengensteuerung usw. - Wer dabei misstrauisch wird, liegt völlig richtig. Es ist tatsächlich schwierig, das Durcheinander dieser Initiative einfach zu erklären. Hier ein Versuch: Die Initianten wollen, dass jegliches Geld, das Banken entgegennehmen oder als Kredit vergeben, vollumfänglich auch bei der Schweizerischen Nationalbank vorhanden sein muss.

Sie vermitteln damit den falschen Eindruck, dass Banken - quasi aus dem Nichts - beliebig Geld schöpfen können. Das ist nachweislich nicht der Fall, sonst wäre ja noch nie eine Bank in einen Engpass geraten. Eine Bank kann einem Kunden nur Geld ausleihen, das ihr von einem anderen Kunden anvertraut worden ist. Wenn dies nun komplizierter und schwerfälliger werden soll, dann führt das zu restriktiveren und vor allem teureren Kreditvergaben. Weniger Kredite bedeuten weniger Investitionen. Teurere Kredite führen zu höheren Kosten. Höhere Kosten führen zu höheren Preisen. Und so würde das Dilemma seinen Lauf nehmen.

Dies alles solle die Nationalbank stärken, wobei ausgerechnet sie genau dies nicht will. Bei näherer Betrachtung würde die Initiative vor allem eine unnötige Bevormundung der Nationalbank bedeuten. Und sie selber betont, dass sie sämtliche Mittel und Instrumente habe, die sie für die Bewältigung ihrer wichtigen Aufgaben brauche. Wir als Stimmbürgerinnen und Stimmbürger sind vor allem angehalten, der Autonomie unserer Nationalbank Sorge zu tragen. Und wir sollten nicht versuchen, etwas zu reparieren, das gar nicht kaputt ist.

Auch das Versprechen, künftige Krisen zu verhindern, würde die Initiative nicht halten können. Krisen entstehen aufgrund von Fehleinschätzungen, übertriebener Gier, spekulativen Risiken. Und man macht die Dinge nicht sicherer, indem man alles auf den Kopf stellt. Die Vollgeldinitiative will Probleme lösen, die gar nicht existieren. Sie ist ein unerprobtes Experiment, das bisher kein Land auf der Welt durchgeführt hat. - Wir sollten deshalb darauf verzichten. Denn unser Land ist kein Versuchskaninchen.

(30. April 2018)

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Wer keinen Rahmen hat, ist nicht im Bild.

Es ist ein offensichtlicher politischer Wille der Schweiz, nicht Mitglied der Europäischen Union zu sein. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass die Schweiz im Herzen Europas liegt. Die Schweiz ist auch als Nichtmitglied der Europäischen Union ein europäisches Land. Das ist Geographie! - Es stellt sich deshalb nicht die Frage, ob wir eine Beziehung mit der Europäischen Union haben wollen oder nicht; es stellt sich ausschliesslich die Frage, wie diese Beziehung gestaltet sein soll. Denn man kann nicht „keine Beziehung“ haben...

Es ist auch nicht so, dass die Europäische Union etwas Schlechtes, eine „Fehlkonstruktion“ ist, nur weil wir dort nicht Mitglied sein wollen. Die Europäische Union mag ihre Schwächen haben und mit durchaus grossen Herausforderungen kämpfen; aber sie ist vor allem ein beeindruckendes Friedensprojekt. Davon profitieren auch die Nichtmitglieder. Wir sind deshalb angehalten, der Europäischen Union - bei aller Skepsis, die wir gegenüber ihr haben - durchaus auch mit Respekt zu begegnen.

Nach dem EWR-Nein im Jahr 1992 hat die Schweiz den so genannten bilateralen Weg eingeschlagen und ihn zum „Königsweg“ erklärt. Entsprechende Vertragspakete wurden verhandelt, verabschiedet und vom Schweizer Stimmvolk abgesegnet. Einige dieser Abkommen haben sich bewährt, einige werden kritisiert. Andere tragen vielleicht den zwischenzeitlichen Entwicklungen nicht mehr ausreichend Rechnung und müssten überarbeitet werden. Und es wurden neue Bereiche identifiziert, die ebenfalls einer vertraglichen Regelung bedürfen würden.

Das alles zeigt, dass der bilaterale Weg nicht einfach nur ein gesammeltes Werk von Verträgen ist, sondern vielmehr als Konzept verstanden werden muss. Als Konzept unserer Beziehung zur Europäischen Union. Der bilaterale Weg braucht einen konzeptionellen Rahmen, ein strategisches Dach. Vieles deutet darauf hin, dass auch die Europäische Union stark daran interessiert ist. Und wenn sie mit uns über ein Rahmenabkommen verhandeln will, ist das nichts anderes als der Wille, mit uns ein konzeptionelles Dach über den bilateralen Weg zu bauen. - Was bitte kann an dieser Absicht so gefährlich sein...?

Natürlich verärgert uns Brüssel auch immer wieder, was übrigens auf Gegenseitigkeit beruhen dürfte. Das bietet dann konservativen Polemikern immer wieder willkommene Gelegenheiten, Ängste zu schüren, Entsetzen zu bewirtschaften. Das rhetorische Donnergrollen ist dabei jeweils üppig und erinnert an die Geschichten und Legenden der alten Eidgenossen: Hier die tapferen und wehrhaften Schweizer, drüben die boshaften Vögte in Brüssel... Dabei merken wir kaum, dass wir uns immer mehr im politischen Reduit isolieren. Wir führen nicht einmal mehr eine ernsthafte Debatte über unsere künftige Beziehung zur Europäischen Union. Wir haben schlichtweg keinen Plan.

Wir entfernen uns in grossen Schritten von unserem Königsweg. Der bilaterale Weg wird fahrlässig - aber systematisch - in Frage gestellt. Immer wieder werden einzelne Abkommen angegriffen, und diese stetigen Speerstiche schwächen die Bilateralen auch als Konzept. Ausschaffungsinitiative, Masseneinwanderungsinitiative, Selbstbestimmungsinitiative - und wie sie alle heissen - sind immer wieder Versuche, unser Land mit dem Stemmeisen aus dem internationalen Vertragswerk herauszuheben. Das Resultat ist europapolitische Halbherzigkeit, die sich langsam in Ratlosigkeit wandelt.

Das alles ist auch den Strategen in Brüssel nicht entgangen, und es war letztlich nur eine Frage der Zeit, bis der europäischen Union der Kragen platzen würde. Und wenn wir es auf die Spitze treiben wollen, dann werden wir es erleben, dass man gar nicht mehr mit uns verhandeln will. 

Wenn wir aber den bilateralen Weg weitergehen wollen, dann müssen wir - hartnäckig und konstruktiv - verhandeln. Geben und nehmen. Und wenn wir den bilateralen Weg als Konzept beibehalten wollen, dann müssen wir diesem Konzept ein Dach geben. Ob dies als Rahmenabkommen oder als Marktzugangsabkommen bezeichnet wird oder sonst einen anderen Namen bekommt, ist Kosmetik und bestenfalls sekundär.

Aber es ist in jedem Fall mit Sicherheit kein Landesverrat, sondern eine Pflicht gegenüber künftigen Generationen, diese wohl wichtigste politische Herausforderung unseres Landes proaktiv anzupacken. Die Schweiz darf es nicht zulassen, dass sie von konservativen Kräften in die Isolation geführt und europapolitisch schachmatt gesetzt wird. - Denn wer keinen Rahmen hat, ist nicht mehr im Bild.

(27. Januar 2018)

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Vernunft ist keine programmatische Nische

Der zunehmende Populismus, bzw. der politische Erfolg der Populisten muss zu denken geben. Und es ist ein Irrglaube zu meinen, Populismus finde nur im Ausland statt. Auch in der Schweiz werden Populisten demokratisch gewählt.

Es nützt bei solchen Wahlerfolgen nicht wahnsinnig viel, wenn man sich jeweils nur für ein paar Tage entrüstet und danach wieder zur Tagesordnung zurückkehrt. Und diese Tagesordnung sieht dann so aus, dass diejenigen mit dem grössten Lärm am meisten Raum und Scheinwerferlicht in den Medien erhalten.

Es wird zwar häufig geschrieben, dass es Alternativen zum Populismus brauche. Aber es wird nicht geschrieben, dass genau diese Alternativen existieren. Man thematisiert den Populismus immer wieder und verschweigt gleichzeitig, dass es politische Kräfte gibt, die sich für fortschrittliche Lösungen und vernünftige Kompromisse einsetzen.

Die Antwort auf den Populismus ist politische Vernunft. Und politische Vernunft ist nicht einfach nur eine programmatische Nische. Vernunft ist viel mehr. Vernunft ist ein Grundbedürfnis. Vernunft ist eine Wertehaltung. Vernunft bedeutet Rückgrat. Vernunft braucht Mut.

Das ist die Geschichte, die endlich erzählt werden müsste! Denn in diesem Land fehlt nicht die politische Vernunft. Es fehlt die Berichterstattung über die politische Vernunft.

(28. Oktober 2017)

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Altersvorsorge 2020: Mehr geht nicht. Weniger dürfen wir nicht.

Man kann über die «Altersvorsorge 2020» endlos komplizierte Dinge schreiben, und sie umfasst tatsächlich ein paar sehr komplexe Inhalte. Dennoch ist es eigentlich ganz einfach: Wer nichts verändern will, wird auch verlieren, was er bewahren möchte. Und wer nicht bereit ist, halt auch mal den berühmten kleinen Finger zu reichen, der bewegt sich überhaupt nicht mehr. Auch ist die Frage wenig hilfreich, wer jetzt genau wie stark betroffen ist. Unsere Vorsorgewerke hätten ohnehin nie geschaffen werden können, wenn jeder immer nur für sich geschaut hätte...

Und ja: Wenn ich ganz alleine auf dem Reissbrett meine eigene Reform - entlang von klaren ökonomischen Fakten - hätte entwerfen dürfen, dann sähe diese anders aus. Aber das ist Theorie und bringt uns nicht weiter. Vielmehr entspricht es einer Tatsache, dass dieses Land seit über 20 Jahren keine Reform der Altersvorsorge mehr gesehen hat. Keine! - Und es entspricht ebenfalls einer Tatsache, dass wir hier auf einen Kollaps hinsteuern, wenn nicht bald etwas geschieht.

Und ja: Diese Reform mag nicht perfekt sein; aber sie ist eine Reform. Sie ist ein pragmatischer Kompromiss, für den im Parlament hart gerungen worden ist. Mehr geht im Moment nicht; weniger dürfen wir nicht. - Und nein: Diese Reform löst nicht sämtliche Probleme. Aber sie bringt uns einen Schritt weiter. Zudem gewinnen wir Zeit und ebnen den Weg für weitere Reformschritte. - Und ja: Solche werden nötig sein.

Ein Verzicht auf diesen ersten Reformschritt verunmöglicht weitere Reformen. Dann wird der Reformstau derart erdrückend, dass er die Zukunft unserer Altersvorsorge fundamental gefährdet. Deshalb sollten diejenigen, welche diese Reform mit Vehemenz bekämpfen, unbedingt an die nächsten Generationen denken - und nicht einfach nur an die nächsten Wahlen...

(7. August 2017)

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Die göttliche Ordnung

Der grossartige Schweizer Film „Die göttliche Ordnung“ dokumentiert eindrücklich den Kampf der Schweizer Frauen für ihr Stimm- und Wahlrecht. Er beschreibt dabei auch den damaligen Zeitgeist und die hoffnungslose Überforderung der Männer. - Aber der Film verurteilt nicht. Es wäre auch nicht fair, mit heutigen Massstäben über die damaligen Fragestellungen zu urteilen.

Dennoch habe ich mich nach diesem Film geschämt - als Mann geschämt... Und zwar nicht wegen den Männern von damals, die in aller Selbstverständlichkeit Ungerechtigkeiten als Alltäglichkeit geduldet haben. Nein, ich habe mich geschämt wegen der heutigen Männergeneration. - Wir, die glauben, seit der Einführung des Frauenstimmrechts im Jahr 1971 sei Gleichberechtigung eine Tatsache. Wir, die schmunzelnd im Kino den Männern von damals zuschauen und dabei den Kopf schütteln. - Wir sind diejenigen, die sich zu schämen haben. Denn ist es ist eine Tatsache, eine gesellschaftliche Realität, dass die „göttliche Ordnung“ auch im Jahr 2017 immer noch Ungerechtigkeiten bedeutet. Wir akzeptieren diese Ungerechtigkeiten mit der genau gleichen Selbstverständlichkeit und Gleichgültigkeit wie die Männer von 1971. Und dabei glauben wir noch ernsthaft, es sei ja inzwischen besser als damals; wir Männer seien besser als damals... - Nun, das Frauenstimmrecht mag eine gelebte Selbstverständlichkeit geworden sein. Darauf sollten sich aber weder dieses Land noch die Männer in diesem Land irgendetwas einbilden.

Vielmehr sollten wir uns mit der Frage auseinandersetzen, weshalb beispielsweise Lohngleichheit zwischen Mann und Frau noch keine Realität ist. Wir sollten uns mit der Frage auseinandersetzen, weshalb die beruflichen Chancen der Frauen unnötig und blödsinnig erschwert werden - beispielsweise durch steuerliche Fehlanreize oder durch mangelnde Kinderbetreuungsangebote. - Warum niemand dann „Verfassungsbruch!“ schreit, wenn tatsächlich die Verfassung nicht umgesetzt wird...

Mit einer erschreckenden Regelmässigkeit wird in Bundesbern eine „göttliche Ordnung“ manifestiert, die Ungerechtigkeit zum schweizerischen Alltag macht. Allein in der Frühlingssession 2017 wurden drei Versuche der BDP-Fraktion abgewiesen, die bürgerlichen Fortschritt ermöglicht hätten: Ein einfacherer beruflicher Wiedereinstieg nach einer Familienphase hätte die beruflichen Chancen von Müttern erhöhen und gleichzeitig die Arbeitgeber entlasten sollen. Der institutionelle Einbezug von Frauenorganisationen in die Sozialpartnerschaften hätte die Interessenvertretung für Frauen verbessern können. Und ein Elternurlaub hätte für gleich lange Spiesse von Vätern und Müttern sorgen sollen. - Eine Nationalrätin meinte dazu, solange Männer keine Kinder austragen können, müsse man nicht über einen Elternurlaub diskutieren... - Damit war also geklärt, wie die „göttliche Ordnung“ in diesem Land auszusehen hat.

Offensichtlich sind weder die Politik noch die Wirtschaft in der Lage, Ungerechtigkeiten zu beseitigen. - Wenn aber irgendwo ein #womensday gefeiert wird und die Journalisten und Fotografen bereit stehen, dann wollen alle mit rosaroter Wolle stricken. Und niemand hinterfragt dann, wie oft derjenige oder diejenige, die jetzt gerade ins Blitzlichtgewitter strahlt, schon Ungerechtigkeiten unterstützt hat. Nein, niemand wird in der Schweiz an den politischen Pranger gestellt, wenn er Ungerechtigkeiten gegenüber Frauen unterstützt. Es ist ja nur ein Abstimmungsknopf... Verstaubte Männer und konservative Frauen ignorieren die Bedürfnisse einer modernen Gesellschaft. Linke und rechte Forderungen blockieren sich gegenseitig. Was fehlt, sind vernünftige und lösungsorientierte Kräfte. Die Erkenntnis, dass Vernunft und Kompromisse dieses Land geformt haben, nicht Polarisierung und Isolation. - Was fehlt, ist bürgerlicher Fortschritt!

(6. Mai 2017)

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Wenn der Ruf der Wirtschaft unerhört bleibt.

Das Schweizer Stimmvolk hat die Unternehmenssteuerrreform III an der Urne klar abgelehnt. Die eigentliche Ursache für dieses Verdikt gründet tiefer als die spezifischen Vor- und Nachteile der Vorlage. Diese Abstimmung war ein Misstrauensvotum gegenüber der Wirtschaft, ihren Verbänden und den bürgerlichen Parteien. - Und dies nicht zum ersten Mal.

Schon die so genannte Abzockerinitiative von Thomas Minder und die Masseneinwanderungsinitiative der SVP wurden vom Volk mehrheitlich gutgeheissen, obschon die Warnrufe der Wirtschaft nicht zu überhören waren. - Dies im Unterschied zu früheren Abstimmungen, bei denen sich das Stimmvolk jeweils schützend vor die Wirtschaft gestellt hat, wenn diese appellierte, dem Standort und seinen Rahmenbedingungen Sorge zu tragen. Diese reflexartige Solidarität gegenüber der Wirtschaft hat massiv gelitten.

Die Gründe dafür mögen in verschiedenen, kumulierten Stimmungsbildern zu suchen sein. Aber sie lassen sich am Schluss alle mit der Situation des Schweizerischen Mittelstandes erklären: Dieser fühlt sich immer mehr in die Machtlosigkeit und Hilflosigkeit eines Hamsterrads versetzt. Er fühlt sich weder von der Wirtschaft noch von der Politik vertreten und ernst genommen. Teilweise zu Recht, teilweise zu Unrecht. Aber es ist eine Tatsache.

Der Mittelstand trägt dieses Land und regiert es faktisch über die direkte Demokratie. Jegliche politische Veränderung in unserem Land muss den Anliegen und Sorgen des Mittelstands standhalten. Und dem Mittelstand ist es dabei egal, wie in Studien belegt wird, ob es ihm gerade eher gut oder eher nicht so gut geht. Für den Mittelstand zählen sein persönliches Befinden und seine subjektiven Perspektiven. Daraus entsteht ein kollektives Stimmungsbild - und zwar kein gutes.

Wenn der Mittelstand von steigenden Krankenkassenprämien belastet wird, wenn berufstätige Eltern mit Hürden, statt Erleichterungen konfrontiert sind, wenn die über 50jährigen Angst vor oder wegen Arbeitslosigkeit haben, dann fällt es ihnen schwer, sich an Unternehmensgewinnen, steigenden Aktienkursen oder an allfälligen Rekordbezügen ihrer Vorgesetzten zu freuen.

Es braucht freiwillige und spürbare Schritte der Wirtschaft in die Richtung der Anliegen und Sorgen des Mittelstands. Es genügt nicht, einfach nur zu betonen, was gut und wichtig für die Wirtschaft ist. Es braucht auch gesellschaftspolitisches Engagement. Bürgerliche Lösungen für die Förderung inländischer Arbeitskräfte, bürgerliche Lösungen für bessere Rahmenbedingungen zugunsten berufstätiger Eltern, bürgerliche Lösungen für die Erreichung der in der Bundesverfassung postulierten Lohngleichheit, bürgerliche Lösungen für bessere Arbeitsmarktchancen der älteren Generation, bürgerliche Lösungen für die Energiewende.

Dem Mittelstand müssen die Gründe zurückgegeben werden, wieder stolz auf die Schweizer Wirtschaft zu sein und zur verlorenen Solidarität gegenüber den Unternehmen zurückzufinden. Möglicherweise braucht es dafür auch in der Wirtschaft einen Aufstand der Anständigen. Einen Aufstand der verantwortungsvollen Unternehmerinnen und Unternehmer in diesem Land. Denn auch eine liberale Politik muss moralische Prinzipien haben. Auch eine liberale Politik muss sich über soziale und ökologische Verantwortung definieren. Freiheit und Verantwortung gehören zusammen.

(13. Februar 2017)

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Es braucht einen Bruch mit dem Verfassungsbruch

Mit dem Konzept des so genannten „Inländervorrangs“ hat die Bundesversammlung in der Wintersession ein neues Ausländergesetz verabschiedet. Für einige ist dies die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative, für andere ist dies Verfassungsbruch. – Beides ist falsch. Warum?

Die BDP hat stets betont, dass die Masseneinwanderungsinitiative noch nicht umgesetzt ist, sondern dass erst ein erster Schritt stattgefunden hat, welcher den Anfang und nicht das Ende eines Prozesses bedeutet. Die Initianten haben eine Umsetzungsfrist von drei Jahren angesetzt. Nachdem der Bundesrat das Dossier sehr lange bei sich behalten hat, standen dem Parlament rund sechs Monate zur Verfügung, um noch etwas Konkretes auf die Beine zu stellen. Es hat dabei richtigerweise den Schutz der bilateralen Verträge in den Vordergrund gestellt, da eine vertragsbrüchige Schweiz in der Verfassung nicht vorgesehen ist. Die Beachtung völkerrechtlicher Verpflichtungen steht ebenso in der Verfassung wie beispielsweise das Bewusstsein für gemeinsame Errungenschaften oder die Verantwortung gegenüber künftiger Generationen.

Was seit dem 9. Februar 2014 ebenfalls in der Verfassung steht, ist die eigenständige Steuerung der Zuwanderung… Dabei seien die gesamtwirtschaftlichen Interessen der Schweiz zu berücksichtigen... Völkerrechtliche Verträge seien innerhalb von drei Jahren dementsprechend neu zu verhandeln und anzupassen... - Letzteres hat der Bundesrat versucht. Erfolglos.

Da also keine neu verhandelten oder angepassten völkerrechtlichen Verträge vorliegen, konnte das Parlament nur eine Ausführungsgesetzgebung verabschieden, welche die bestehenden Verträge anerkennt. Ansonsten hätte das Parlament tatsächlich gegen die Verfassung verstossen. Es ist gegenüber der gesamten Verfassung verpflichtet und nicht gegenüber einem einzelnen Artikel. Und mit dem Auftrag dem Stimmvolks, die eigenständige Zuwanderung völkerrechtlich neu auszuhandeln, ist keine Aussage verbunden, was zu tun ist, wenn diese Verhandlungen zu keinen Ergebnissen führen.

Die Masseneinwanderungsinitiative ist deshalb nicht umgesetzt, weil der Widerspruch zwischen dem Zuwanderungsartikel und den bestehenden völkerrechtlichen Verträgen nicht gelöst werden kann. Genau deshalb setzt sich die BDP seit über zwei Jahren dafür ein, dass in einer erneuten Volksabstimmung genau diese Frage geklärt werden kann. Das Stimmvolk muss sagen, was nun zu tun ist, nachdem sein Wille vom 9. Februar 2014 nicht umgesetzt werden konnte, ohne gegen andere vom Volk verabschiedete Verfassungsbestimmungen zu verstossen. - Sollen die bestehenden völkerrechtlichen (bilateralen) Verträge weiterhin gelten oder sollen wir sie zugunsten einer eigenständigen Zuwanderung brechen? - In einer direkten Demokratie ist nur das Stimmvolk zur Beantwortung dieser Frage legitimiert. Und gewählte Volksvertreterinnen und –vertreter sind aufgefordert, ihren Auftraggeber – das Stimmvolk – in einem ehrlichen Dialog erneut zu konsultieren, wenn der ursprüngliche Auftrag nicht umgesetzt werden kann.

Die BDP hat bereits im Juni 2014 erstmals gefordert, diese Frage klären zu lassen. Sie wiederholte diese Forderung im September 2014, im Oktober 2014, im Februar 2015, im Mai 2015, im März 2016, im Oktober 2016, im November 2016, im Dezember 2016. Die stetigen Apelle der BDP blieben ungehört, obschon sie immerhin diejenige Partei ist, welche - statistisch bewiesen - am nächsten beim Stimmvolk politisiert.

Immerhin ist inzwischen auch der Bundesrat endlich zum Schluss gekommen, dass ohne die Klärung dieser Frage nicht zielorientiert weitergearbeitet werden kann. Man kann über seine diesbezüglich präsentierten möglichen Gegenvorschläge zur so genannten RASA-Initiative noch unterschiedlicher Meinung sein. Es wird eine Abstimmungsfrage zu finden sein, welche wirklich eine entscheidend klärende Antwort zur Folge hat. – Wer sich aber dagegen wehrt, dem Stimmvolk diese klärende Frage zu stellen, hat Angst vor der direkten Demokratie und eine sehr eigennützige Definition von Volksnähe.

(23. Dezember 2016)

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Klassenkampf? Wir brauchen eine Revolution der Vernunft.

Die Wahl von Donald Trump hat weltweit viele Menschen überrascht, schockiert, gelähmt –hoffentlich aber auch wach gerüttelt. Mit dem Erfolg an den amerikanischen Präsidentschaftswahlen hat der Populismus einen neuen Höhepunkt erreicht, obwohl er überhaupt kein neues Phänomen ist. In Europa - und auch in der Schweiz - ist seit längerer Zeit ein steigender Erfolg populistischer Isolationisten festzustellen.

Nun hat SP-Präsident Christian Levrat seine Lösung verkündet: Aufruf zum Klassenkampf! Das ist kein bisschen weniger populistisch als das, was er bekämpfen will. Wenn Linkspopulismus die Antwort auf Rechtspopulismus ist, dann gewinnt am Schluss der Populismus. – Was wir dringend brauchen, ist eine Revolution der Vernunft.

Dafür muss schleunigst das Märchen widerlegt werden, dass Populisten nahe am Volk seien und dessen Sorgen ernst nehmen. Das Erfolgsrezept der Populisten basiert auf dem Gegenteil: Missbrauche die Sorgen der Menschen und schüre zusätzliche Ängste. - Und wer für das Schüren dieser Ängste mit Erfolg belohnt wird, dürfte kein ernsthaftes Interesse daran haben, die entsprechenden Probleme zu lösen. Gelöste Probleme können nicht mehr bewirtschaftet werden. Und wer will schon darauf verzichten, wenn ausgerechnet dies sein Erfolgsrezept ist?

Neuerdings bringt man ja sogar Verständnis dafür auf, dass in Wahlkämpfen systematisch gelogen wird. Es sei halt Wahlkampf mit spezifischen Gesetzmässigkeiten, wo offenbar der Zweck die Mittel heiligt – also auch die Lügen. Solche Rechtfertigungen stammen übrigens genau von denjenigen Populisten, die angeblich mehr Volksnähe haben als die sogenannte „classe politique“. Solchen Unsinn liest man inzwischen fast täglich und irgendwann glauben alle, es sei wirklich so. Dabei müssen sich in der Schweiz sämtliche Volksvertreterinnen und Volksvertreter alle vier Jahre einer direktdemokratischen Wiederwahl stellen. Mit einem solchen System ist eine „classe politique“ mit mangelnder Volksnähe schlichtweg nicht möglich.

Das mediale Spektakel um populistische Aussagen – von rechts und links – macht den Populismus omnipräsent. Es ist keine Kunst zu lärmen. Und wer Lärm macht, verschafft sich Gehör. Dabei werden immer wieder lauthalse Forderungen mit machbaren Lösungen verwechselt. Das Gespür für die schweigende Mehrheit geht verloren. Sachlichkeit, Lösungsorientierung und Kompromissfähigkeit – sofern sie denn überhaupt mediale Resonanz finden – werden als Zeichen von Schwäche und Harmlosigkeit hingestellt. Doch exakt auf diesem Fundament wurde unser Staat gebaut und unser Wohlstand entwickelt. Und exakt dieses Fundament ist die Zielscheibe populistischer Schreihälse. Je mehr Mitläufer dieser Populismus erreicht, desto grösser wird sein Schaden sein. 

Die Revolution der Vernunft braucht deshalb eine Rückbesinnung auf die bewährten Werte und Erfolgsrezepte der verantwortungsvollen Schweiz. Dazu muss die schweigende Mehrheit ihr Schweigen brechen.

(17. November 2017)

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Pflichtlektüre Bundesverfassung

Ich habe sie geliebt, die Geschichten über die Urschweiz, die alten Eidgenossen und ihre tapferen Schlachten für die Freiheit. Geschichtsbücher gehörten zu denjenigen Schulbüchern, die ich verschlungen habe, was durchaus nicht auf alle Lehrmittel zutraf…

Was sich damals rund um den Vierwaldstättersee wirklich abgespielt hat, wissen wir nach wie vor nicht in der vollen Exaktheit. Und die Einigkeit der Historiker in dieser Frage ist nicht mit der überlieferten Einigkeit der Eidgenossen zu vergleichen. Ich betrachte die Differenzierung zwischen Fakten und Legenden auch nicht als derart wichtig und akzeptiere die damit verbundene, kaum lösbare Ungenauigkeit. Denn zentral sind die Wertehaltungen, die uns die Geschichte auf den Weg gegeben haben. Und unsere Gesellschaft braucht solche Werte.

Allerdings ist es erstaunlich, wie dominant die Wertehaltungen aus der Geschichte der Urschweiz sind, während der Geist unserer Bundesverfassung – zumindest im Geschichtsunterricht – mehr oder weniger auf der Strecke bleibt. Man hat uns viel erzählt über das Rütli, Morgarten und Sempach, aber praktisch nichts über die Gründung der modernen Schweiz als Bundesstaat im Jahr 1848 und schon gar nichts über die Totalrevision der Bundesverfassung im Jahr 1874. Unser Nationalheld heisst Wilhelm Tell, während beispielsweise Ulrich Ochsenbein, der geistiger Vater unseres Bundesstaats, für viele unbekannt sein dürfte.

Ich weiss nicht mehr, wann ich zum ersten Mal unsere Bundesverfassung vollständig durchgelesen habe; aber es war lange nach meiner Schulzeit. Ich war begeistert und beeindruckt. Man spürt in Teilbereichen immer noch den damaligen Zeitgeist und Wertehaltungen wie Solidarität, Respekt, Offenheit, Verantwortungsbewusstsein. Und ich empfehle allen Schweizerinnen und Schweizer wärmstens die mindestens sporadische Lektüre unserer Bundesverfassung.

Wir sind angehalten, uns viel intensiver – und zwar schon in der Schule – auch mit der Geschichte der modernen Schweiz auseinanderzusetzen. Sie ist als Quelle für unseren Nationalstolz ebenso legitimiert wie die Geschichte der Urschweiz. Und wir sind als verantwortungsvolle Demokraten angehalten, unserer Verfassung Sorge zu tragen. Sie soll das grundsätzliche Verständnis unseres Zusammenlebens und unsere gemeinsamen Werte beinhalten. Ellenlange Detailbeschreibungen über einzelne Sachverhalte gehören ebenso wenig dorthin wie beispielsweise Bekleidungsvorschriften oder Regelungen über den Kopfschmuck von Kühen.

Die Entstehung der modernen Schweiz und ihrer Bundesverfassung war geprägt von Weitsicht und grosser Sorgfalt. Dieses Vermächtnis verdient unseren Respekt und unser vollumfängliches Verantwortungsbewusstsein. Denn wir schützen unsere direkte Demokratie dadurch am besten, indem wir sehr sorgfältig mit ihr umgehen.

(12. September 2016)